Aktionstag gegen antifeministische Backlashs
#4genderstudies
Konfliktzone, Streitlust, Kampftechnik, Irritationsgenuss, Zweifelutopie: Caring for Conflict sucht nach kreativen Praxen im Umgang mit Konflikten. Wie Konflikte leben? Wie lassen sich unterschiedliche Erfahrungen zu neuen Streitformen verbinden? Was können wir voneinander lernen, um miteinander auszukommen, ohne die Konflikte unter den Teppich zu kehren oder zu eskalieren? Wie können aus situierten Techniken und kollektiver Vorstellungskraft gemeinsame Praxen werden? … Praxen, die Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten, Ausschlüsse und die Gewalt rigider Normen abbauen? Was bedeutet es, aus queer-feministischer Perspektive mit den Konflikten umzugehen?
Caring for Conflict ist eine 2017/2018 durch den Projektfond Kulturelle Bildung geförderte Initiative, die das Institut für Queer Theory (iQt) und der Kunstraum District gemeinsam mit der KontextSchule, i-Päd – intersektionale Pädagogik, der Alice-Salomon-Hochschule und verschiedenen Berliner Schulen und Organisationen außerschulischer Jugendarbeit in Berlin umsetzen. Ziel ist es, gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Schulen und außerschulischer Jugendarbeit durch praktisches Experimentieren, gemeinsames Nachdenken und künstlerisch-mediale Ausdrucksformen ein Verständnis von queeren Konfliktkulturen zu entwickeln. Ohne bereits zu wissen, was mit diesem Konzept alles gemeint sein kann, startet das Projekt mit der Intuition (oder These), dass feministische Care-Arbeit sowie Formen queerer Gemeinschaftlichkeit – und die in beiden zu findende Aufmerksamkeit für komplexe, intersektional verflochte Differenzen, Mehrfachzugehörigkeiten und Machtverhältnisse – Entscheidendes zu einem veränderten Umgang mit Konflikten beitragen können. Die Praxis mit den jungen Teilnehmer*innen wird in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe pädagogisch und künstlerisch reflektiert und weitergedacht. Der Austausch zwischen Mitarbeitenden aus Kunst, kultureller Bildung, Sozialpädagogik und Wissenschaft mündet perspektivisch auch in wissenschaftliche Beiträge zur Bedeutung queerer Konfliktkulturen.
Caring for Conflict geht davon aus, dass es immer und überall Konflikte geben wird; aber auch, dass Konfliktbearbeitung eine Alltagspraxis ist – weltweit. Gerade in Migrationsgesellschaften bringen Menschen eine Vielzahl unterschiedlicher Erfahrungen, Stile und Fertigkeiten im Konfliktumgang mit. Wie können diese produktiv werden, um mit der Vielgestaltigkeit und Vielstimmigkeit gesellschaftlicher Verhältnisse und Bevölkerungen klarzukommen? Was kann dazu beitragen, auch mit denjenigen Konflikten umzugehen, die daraus erwachsen, dass von rechtspopulistischer Seite genau diese Vielgestaltigkeit und Vielstimmigkeit abgewehrt wird und – notfalls mit Gewalt – abgebaut werden soll?
Gesellschaft besteht aus komplex verschachtelten sozialen Unterschieden. Wir brauchen nicht auf ein konfliktfreies Miteinander hoffen, wenn wir anerkennen, dass es wichtig ist, z.B. wo Menschen herkommen und wie sie aufwachsen, welche Alltagspraxen und Arbeitserfahrungen, Überzeugungen, Werte und Religionen sie teilen, welche unterschiedlichen Befähigungen ihnen zu eigenen sind, welche Meinungen, Interessen, Wünsche und Begehren sie hegen, wie sie geprägt sind durch Geschlechter- und Klassenunterschiede, durch Bildung und Vermögen. Diese Unterschiede bergen Konflikte ebenso wie jeweils spezifische Denk- und Handlungsformen, um mit ihnen fertig zu werden. Mit Blick auf diese situierten Konfliktkulturen können Konflikte als Möglichkeitsräume verstanden werden.
Der Titel Caring for Conflict vermittelt schillernde Bedeutungen: sich aus Konflikten etwas machen und aus denen, die sie führen; Konflikte, die dir etwas ausmachen; sich um Konflikte sorgen oder kümmern; besorgt sein ob bestimmter Konflikte. Zugrunde liegt der Gedanke, dass feministische Auffassungen von Sorgearbeit sowie queere Sozialitäten für einen weiter greifenden, gesellschaftlichen Umgang mit Konflikten von Interesse sein können. Diese speisen den Begriff der queeren Konfliktkulturen, der von den beteiligten Wissenschaftler*innen auf dem Hintergrund der Praxiserfahrungen und im Austausch mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, den Künstler*innen, Sozialpädagog*innen und Lehrer*innen weiter ausgearbeitet und für die Konfliktpädagogik, Theorien kultureller Bildung und gesellschaftstheoretisch nutzbar werden soll. Die Vortrags- und Diskussionsreihe „Wann wird es Gewalt?“ lotet zu diesem Zwecke die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Gewalt aus, untersucht die Verschränkung und mögliche Entkopplung von Konflikt und Gewalt und fragt, ob sich Gewalt durch queere Konfliktkulturen kontern lässt.
18.12.2017—17:46 h—Caring for Conflict