Saal*Lun: Türpolitiken – ein Bericht

von Antke Engel

„Türpolitiken“ lautete das Motto bzw. Konfliktthema, das beim ersten Saal*Lun im Ramen von  Caring for Conflict in seinen unterschiedlichen Facetten erkundet und zu dem kreative Lösungen gefunden werden sollten.

     

„Verschiedene Leute sind an verschiedenen Orten willkommen oder nicht willkommen, manchmal explizit, oft vermitteln sich diese Botschaften aber auch untergründig und ohne Worte. Türpolitiken können brutale Formen des Ausschlusses sein. Aber sie können auch helfen, „Sichere Räume“ zu schaffen und Gruppen zu ermächtigen.
Wozu sind Türpolitiken gut? Wen schützen sie? Wer entscheidet über diese?“ – hieß es in der Einladung.

Durch diese Fragen herbeigelockt, kamen am 12. Juli 2017 ca. 50 Personen im Theater ExMe (Kreuzberg) zusammen, um entlang von sechs Stationen, die von der Vorbereitungsgruppe mit reichhaltigem Material und diversen Anregungen versehen waren, die Problematik von Türpolitiken auszuloten. Allein oder in Gruppen, oder mal so mal so, widmeten wir uns Podcasts, Spielen, Plakaten, Comics, bedeutsamen Objekten, einfachen Parolen oder ausgefeilteren Manifesten. Je nach persönlichem Interesse konnte aus folgenden Schwerpunkten gewählt werden:

Kulturelle Aneignung: „weiße Leute mit Dreads haben hier keinen Zugang!?“

Einschluss und Ausschluss durch Klassensprache: crack the code / „Nichts kapiert, oder was?“

Brauchen wir ne Quote? Geht Quote ohne Zuschreibung und profiling

Eintrittspreise: „Kost nix! Musst trotzdem zahlen“!?

Spaß ohne Alkohol?! Alkohol ohne Spaß

?!Reclaim space: Männerfreie Räume? Women only? All Gender welcome?

 

Nachdem alle Zeit hatten, sich thematisch einzugrooven, wurden Kleingruppen gebildet, die zu einem der Themen eine fiktive Veranstaltung vorbereiten sollten. Entscheidend war, sich für die Veranstaltung eine Türpolitik zu überlegen, die sichere Räume schafft und zugleich möglichst wenig Ausschlüsse produziert; „Wobei eine offene Tür für eine Person eine geschlossene Tür für eine andere Person bedeuten kann,“ hieß es in der Anleitung. Außerdem wurden den einzelnen Gruppen einige Fragen (z.B. Welche Aspekte sind in Anbetracht eures Themenfeldes relevant? Wie gestaltet ihr die Einladung? Wie ist der Umgang mit den Menschen vor Ort?) und Gedankenanstöße geboten.

Hier ein paar Beispiele:

Spaß ohne Alkohol?! Alkohol ohne Spaß?! 
Alkohol und andere Drogen werden unterschiedlich wahrgenommen: als Genussmittel, als Suchtmittel, als negativer Trigger. Manche Menschen können oder wollen nicht auf diese verzichten, für andere Menschen wird die Konfrontation damit bedrohlich.
Wie kann ein sicherer Raum für Menschen entstehen, die Probleme im Kontakt mit Suchtmitteln haben? Wie ist dies möglich, ohne dass Menschen in ihrem Konsumwunsch oder in ihrer Suchtbefriedigung eingeschränkt werden?

Kost nix! Musst trotzdem zahlen!? 
Eintrittspreise dienen der (Re)-Finanzierung. (Manchmal sind sie auch nur dazu da, etwas wichtig erscheinen zu lassen.) In jedem Falle können sie einzelne oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen ausschließen. Sie wirken also ausgrenzend, vielleicht sogar gerade dann, wenn sie für andere einladend erscheinen.
Welche „Eintrittspolitiken“ sind geeignet, Ausschluss und Ausgrenzung durch Eintrittspreise zu verhindern?
Sollte es Orientierungshilfen geben, um sich die eigenen (finanziellen) Möglichkeiten bewusst zu machen?


Brauchen wir ne Quote? Geht Quotierung ohne Zuschreibung und profiling? 
Um marginalisierte (unterdrückte) Gruppen zu stärken, werden manchmal Menschen einer bestimmten Gruppe bevorzugt behandelt. Schon lange gibt es Räume und Veranstaltungen, die sich explizit an Menschen, die sich einer solchen Gruppe zugehörig fühlen, richten.
Was hat das mit Zuschreibungen und/oder (positiver) Diskriminierung zu tun? Brauchen wir Quoten, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen? Geht so eine Quote ohne profiling (praktisches Sortieren)?

Live-Zeichner* Joris Baker zog von Gruppe zu Gruppe und dokumentierte das Geschehen anhand von Comiczeichnungen. Kontroverse Diskussionen, viel Gelächter, einiges an Ratlosigkeit sowie verrückte Ideen führten im Endeffekt zu fünf Präsentationen (das Alkohol-Thema blieb unbearbeitet), die anhand von kreativ gestalteten Plakaten oder dank schauspielerischer Talente die jeweils erarbeitete Türpolitik den anderen vorstellte.

Most easy war die Einladungspolitik der Reclaim Space-Gruppe: „Sexismus ist ein Problem. Wer das verstehen will, ist herzlich eingeladen.“ Mit dieser Aussage sollte die Teilnahme einer Selbstdefinition überlassen werden, die aber nicht durch eine Identitätsbeschreibung, sondern durch Problembewusstsein charakterisiert ist.

Die Kost-Nix-Eintrittspreis-Gruppe beispielsweise schlug ein komplexes Modell vor, das Eintritts- und Getränkepreise sowie Prestigesucht und Sparzwang vernetzte.

Die Klassensprachen-Gruppe formulierte den Text für eine imaginäre WG-Anzeige, die auf Transparenz und hemmungsloses Sprechen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse setzte.


Es fehlt leider einiges Material, um sämtliche Vorschläge zu rekonstruieren. Doch kann die geneigte Leser*in sich den übrigen Gruppen über die Comics annähern oder einen extra blog-Beitrag bestellen (Lieferung nicht garantiert).

Ergebnis: Türpolitiken bleiben ein Rätsel und kompliziert. Ausschlüsse schleichen sich beinahe unweigerlich ein, weil Machtverhältnisse viele Dimensionen haben. Und dennoch ist schon viel gewonnen, wenn Menschen nicht aufgeben, Unterschieden und Konflikten mit Neugier zu begegnen und damit -wenn auch in kleinen Schritten – neue Wege und Lösungen finden.

Zum Weiterlesen siehe auch Bela F. Cordes zu Kultureller Aneignung

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Der Türpolitiken-Saal*Lun wurde veranstaltet von der „Vertiefung Gender und Queer Studies“ der Alice Salomon Hochschule Berlin: Dikla Levinger, Jana Blottner, Julian Ketterer, Mira Foerster, Moritz Wagner, Nico-LLentrisca Riedel, Sofia-Isabella Robuschi, unterstützt durch Antke Engel.

10.01.2018—13:49 h—Saal*Lun