Rückblick auf 6 Monate AG Queere Konfliktkulturen

… mit  Auszügen aus unseren Protokollen

Durchgehende Fragestellungen aller Treffen:

  • Gibt es speziell „queere“ Ansätze, um die Konflikte zu bewältigen?
  • Sind künstlerische Praxen und kulturelle Bildungsarbeit von Interesse, um „queere Konfliktkulturen“ zu erfinden und zu erlernen?
  • Was meinen wir jeweils mit dem Begriff „queer“?

Diese Fragen sind jeden Monat im Zusammenhang mit einem besonderen thematischen Schwerpunkt verhandelt worden: 1. verschiedene Konfliktarten, 2. Konflikt und Gewalt, 3. komplexes Gewalt-, Diskriminierungs- und Privilegiensysteme, 4. Sprache als Medium von Gewalt und Widerstand, 5. Konflikt als Methode, 6. Hierarchien

Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Konflikten.
Um sie zu unterscheiden bzw. in Bezug zueinander zu setzen, schlagen wir folgende Kriterien vor:

  • Orte: z.B. intime Beziehungen, Freundschaften, Teams, Institutionen
  • Arten/Felder: z.B. Ressourcen, Beziehungspraxen, Anerkennung
  • Themen: z.B. Diskriminierung, Machtunerschiede, Meinungsfreiheit/ Zensur
  • Beteiligte: z.B. Institutionen, Geldgeber, Troublemaker
  • Codes/Rituale/Praxen: z.B. Differenz = Konflikt, Deklarationszwang, Anerkennung subjektiver Wahrnehmungen und Gefühle
  • Prozesse: z.B. interpersonelle und innere Konflikte, Deckeln von Konflikten, Eskalation

Was bedeutet (für uns) „queer“ in „Queere Konfliktkulturen“:

  • Identifying norms and limits of one’s self understanding
  • Narrating discrepancies between general norms and concrete experiences
  • bewegliche Multiperspektivität
  • Subversion (z.B. Strategie des „so tun als ob / as if“)
  • Selbstsubversion
  • flexibility and taking on multiple positions
  • Queerness verweist zugleich auf Praxen und Formen von Aktivismus als auch auf ein Selbstempfinden
  • sich mit binären Konstrukten auseinandersetzen, sie auflösen, zerteilen, neue Optionen aufmachen
  • Wenn queer cool wird – was bedeutet das für queere Lebensrealitäten und was bedeutet es aber auch Gesamtgesellschaftlich? Liegt da ein Widerspruch?

Thema: Gewalt und Konflikt

Welche Rolle spielt die Auseinandersetzung mit Gewalt für unser Nachdenken über queere Konfliktkulturen?

Z. B. wenn wir über Schule (oder andere staatliche Institutionen, z.B. Gerichte) sprechen: Ist es dann sinnvoll zu sagen: „Schule ist eine Gewaltinstitution“? Ja, weil dort Gewalt in Form von Zwang, Unterordnung, asymmetrischer Autorität, Diskriminierung systematisch stattfindet und strukturell verankert ist. Nein, weil damit aus dem Blick gerät, dass Schule auch Ort ist, wo Menschen lernen, sich gegen Gewalt zu wehren, Gewalt zu erkennen und dagegen vorzugehen.

Aber zugleich wird Gewalt in der Schule oft von oben implantiert mit der Behauptung, auf diese Weise Konflikte und Gewalt zu verhindern.

Aggression nicht als Problem ansehen, das es zu vermeiden oder zu verbieten gilt: Denn Aggression ist eine Kompetenz, die Kompetenz, sich zu wehren. Wenn Aggression unterdrückt wird, führt dies zu Depression. Wie also Aggression ausdrücken, ohne dass es gewaltsam wird?

Ein weit gefasster Gewaltbegriff ist gut. Denn es ist wichtig, dass diejenigen, die etwas als Gewalt empfinden, dies genauso benennen können, ohne dass dies in Zweifel gezogen wird. Es ist völlig o.k., dass dies manchmal drastische Formulierungen sind, denn a) ist es oft nur so möglich, sich Gehör zu verschaffen und b) ist dies auch eine Form, Selbstbehauptung umzusetzen.

Thema: Sprache und Konflikt

Welche Begriffe wollen wir verwenden und welche nicht?

  • manchmal z.B. Lesbe anstatt queer
  • In welchem Kontext oute ich mich wie?
  • Jeder Kontext ist unterschiedlich: welche Sprache und welche Begriffe möchte und kann ich wo benutzen?
  • Und in welchen Kontexten gibt es welches Level von Auseinandersetzung (und warum)?
  • Beispiele: Mädchenzentren / Jugendarbeit in denen hauptsächlich mit generischem Maskulinum gesprochen wird usw..
  • Wo macht es Sinn mit neutralen (?) Begriffen zu arbeiten und wo vielleicht auch mit binären?

Welche Sprachen bieten Möglichkeiten sie zu verändern, diskriminierungsärmer zu verändern, wo ist die Sprache schon die Barriere?

  • Was bedeutet barrierefreies oder barrierearmes Sprechen?
  • Welche Methoden außer Sprache kann es geben um sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen? z.b. visuelle Methoden
  • Wie in Dialog kommen und nicht „nur“ das Eigene ausdrücken?
  • Zusammen voneinander lernen, nicht davon ausgehen dass wir uns durch kreative Ausdrucksformen verstehen, sondern es als Prozess ansehen und angehen, z. B. durch Formen von Tandem, langfristig.
  • Betonen von „Imperfektion“ von (nicht ersten) Sprache/n.

 

Thema: Hierarchien und Konflikt

Wenn sich Hierarchien ausbilden, so fließen hierbei unterschiedliche Dimensionen ein: institutionelle Hierarchien, hierarchische Rollen und Funktionen, soziale Hierarchien, persönliche Kapazitäten, individuelle Prioritäten. Diese spielen zusammen, so dass es manchmal schwierig ist zu verstehen, was in einer konkreten Situation zum tragend kommt, was keine Rolle spielt, und woran sich ein Konflikt entfaltet.

Es ist aber in jedem Falle sinnvoll, diese Unterschiede herauszuarbeiten und sich darüber klar zu werden, wo Veränderung ansetzen kann.

In Gruppen (wie unserer AG), die nicht so stark durch strukturelle Ungleichheitsverhältnisse geprägt sind, treten folgende Hierarchien auf:

  • Leitungsfunktion, inkl. Kommunikations- und Strukturierungsverantwortung
  • Sprache (inkl. Sprach“gewalt“, Definitionsmacht
  • Wissen (Bildung, Ausbildung, Zugang zu Wissen)
  • Kapazitäten (verbal, emotional, intellektuell, sozial)
  • Netzwerke (wer kennt wen?)
  • professionelle Disziplinen (akademisch, pädagogisch, künstlerisch)
  • Ressourcen (zeitliche, ökonomische) und Arbeits-/Erwerbsverhältnisse
  • Un-/Verbindlichkeit, Verantwortungsgefühle
  • Abhängigkeiten (personelle, finanzielle, zeitliche)

Es gibt oft auch einen Wunsch nach oder eine Akzeptanz von Hierarchien, weil diese Struktur versprechen und Verantwortung delegieren.

Unterschiedliche Disziplinen, Kapazitäten, Sprachen können als spannungsreich und konkurrent erlebt werden; aber es müsste doch auch möglich sein zu sehen, wie sie einander ergänzen und bereichern können. Sich zurücklehnen und aushalten, dass eine*r etwas nicht (unmittelbar) versteht; aber erst einmal die Großzügigkeit zeigen, dass nicht nur die Berechtigung anerkannt wird, sondern eine*r auch neugierig und lernfreudig sein kann.

24.04.2018—21:20 h—AG Queere Konfliktkulturen